Verzinnung – Warum es so schrecklich viel Auswahl gibt und warum das eigentlich überhaupt keine Rolle spielt

Zinn konnte schon vor 5000 Jahren oberflächennah abgebaut werden. Die Verzinnung ist daher schon sehr lange bekannt.

Seit über 5.000 Tausend Jahren kennt der Mensch die Verzinnung. Durch den relativ niedrigen Schmelzpunkt und die Tatsache, dass Zinn in der Erdkruste immer zusammen mit Blei aufkommt, legt die Vermutung nahe, dass bereits in der Bronzezeit, also zu Beginn der Verhüttung, die Feuerverzinnung bekannt war.

Somit sind auch die Vorzüge einer solchen Beschichtung hinlänglich bekannt und beruhen in ihrem Ursprung auf reiner Empirie.

 

Inhaltsverzeichnis

Doch wo finden wir Zinn heute?

Geht man nach dem Verbrauch im Bereich der Oberflächentechnik (ca. 15 % des Zinn-Gesamtmarktes), so ist nach wie vor die Weißblech-Herstellung Verbraucher Nr. 1. Dieser Markt ist aber seit vielen Jahren rückläufig und wird heute massiv aus China dominiert.

Einer der langfristig interessantesten Märkte für die Verzinnung in Europa ist wahrscheinlich die Kabel- und Elektroindustrie. Hier wird die Oberfläche in erster Linie als Lötzone oder zum Schutz des Substrats gegen äußere Einflüsse, z. B. durch Ausgasungen aus den allgegenwärtigen Kunststoffen, also im Sinne des Korrosionsschutzes eingesetzt.

Reinzinn als Lot?

Durch die Forderungen der RoHS wurde in den letzten Jahren das Blei als Legierungspartner mehr und mehr verdrängt und die vor Kurzem noch sehr verbreitete Verzinnbleiung findet man heute nur noch in seltenen Randanwendungen aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Militär oder Medizintechnik. Durch die guten Erfahrungen – beispielsweise aus dem Automobilbau –, und die Rückgänge der Verfügbarkeit ist aber auch in diesen letzten Bastionen der bleihaltigen Lote zukünftig mit einem Wechsel zum Reinzinn oder den neueren Legierungen auf Basis von Zinn-Silber oder Zinn-Wismut zu rechnen.

Verzinnungstypen

Feuerverzinnung

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Feuerverzinnung (Quelle: Website des Deutsches Kupfer Institut)

Die bereits eingangs erwähnte, wohl älteste Form der Verzinnung ist die Feuerverzinnung. Sie basiert auf einem Tauchverfahren, bei dem kaltes oder leicht vorgewärmtes Substrat in flüssiges Zinn eingetaucht wird. Im Bereich der Bandveredelung finden sich viele solcher Anlagen. Die Hersteller von NE-Bändern machen sich auf diese Weise unabhängig von den elektrochemischen Verfahren. Die meisten Walzwerke in diesem Bereich verfügen über eigene Linien, was den hohen Verkaufsdruck dieser Materialien im Markt erklärt. Diese Technologie ist sinnvoll, wenn große Mengen eines Materials benötigt werden. Nachteile, wie die Dickentoleranz und die Qualität der Beschichtung gelten heute in weiten Teilen des Marktes nicht mehr. Die Feuerverzinnung stellt ein meist sehr günstiges Konkurrenzverfahren zu den rein elektrochemischen Verfahren dar.

Dabei können durchaus auch echte Legierungen, wie natürlich Zinn-Blei (aktuell aber eher Zinn-Silber) in gleicher Weise auf der Oberfläche abgeschieden werden.

Elektrochemische Verzinnung

Mit dem Aufkommen der Galvanotechnik im ausgehenden 19. Jahrhundert machten sich viele Wissenschaftler daran, experimentell nachzuweisen, welche Metalle sich mit dieser neuen Technologie abzuscheiden ließen. Dabei war es sicherlich naheliegend, mit den bereits bekannten Verfahren der Beschichtung diesen Weg zu beschreiten. Durch seine Stellung in der elektrochemischen Spannungsreihe – Zinn ist relativ elektronegativ –, war es aber ungleich schwieriger, dieses Metall homogen und haftfähig abzuscheiden. Ähnlich wie beim Zink hat es zunächst bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts gedauert, bis technische Verfahren zur elektrochemischen Verzinnung einsatzfähig zur Verfügung standen. Kupfer, Nickel, Gold und Silber, können aus zusatzfreien Elektrolyten – also solchen, die nur das Metallsalz und ggf. ein Leitsalz bzw. eine Säure enthalten –, abgeschieden werden. Bei der Verzinnung bedarf es jedoch organischer Zusätze, die diese Abscheidung steuern.

Zunächst waren hier Verfügbarkeit und der Zufall Hauptantriebsfeder für diesen Prozess; so machte man sich zu Beginn des 20. Jahrhundert daran, systematisch nach geeigneten Substanzen zu forschen bzw. wohl besser: zu fahnden.

Matte Verzinnung

So gelang es schließlich eine duktile, relativ homogene aber eben auch eine eher unansehnliche, matte Zinnschicht zu erzeugen. Diese gelangte durch die parallel aufkommende Energietechnik sehr schnell zu technischer Anwendung.

Das Problem dieser Schicht war in erster Linie die optisch unzureichende Oberfläche, insbesondere im Vergleich zu feuerverzinnten Materialien. Zinn ist ein sehr weiches Material, das mit einer extrem großen und mikroskopisch sehr inhomogenen Oberfläche abgeschieden wurde. Hierdurch ergaben sich wechselnde Färbungen je nach Lichteinfall. Bei der Abscheidung unterschiedlich belastete Bereiche (Stromdichte) wiesen auch unterschiedliche Erscheinungsbilder auf. Zwei Chargen waren niemals gleich. Der Prozess war optisch nicht stabil. Technisch jedoch waren diese Oberflächen für ihren Einsatzzweck, also den Korrosionsschutz und die Löttechnik, einwandfrei geeignet.

Eine nennenswerte Durchdringung des Marktes mit dieser Technologie konnte bisher nicht erkannt werden.

Glänzende Verzinnung

Der Druck, mithilfe der neuen Technologie Schichten zu erzeugen, die optisch, denen der Feuerverzinnung ebenbürtig waren, war dementsprechend groß. Physisch besteht der Unterschied zwischen einer matten und einer glänzenden Zinnschicht in der Ausrichtung von Gitterstruktur und der Korngröße.

Was ist Glanz?

Eine Oberfläche mit einer Strukturgröße unterhalb der Wellenlänge des sichtbaren Lichts (380-750 nm) ist in der Lage, einfallende Strahlung zu reflektieren. Der Mensch nimmt solche Oberflächen als glänzend wahr. Die Oberflächen von matt verzinnten Materialien streuen das Licht hingegen und erzeugen so den matten Charakter.

Ziel bei der Herstellung von glänzenden Schichten ist es also immer, geeignete Substanzen zu finden, die ein entsprechendes Kornwachstum begünstigen.

Organische Zusätze im Elektrolyten für die Verzinnung

Frühe Elektrolyte, die sich zum Teil noch heute im Einsatz befinden, arbeiten dabei mit Organika, die im elektrischen Feld dahingehend verbraucht werden, dass die relativ großen Moleküle zerbrechen. Oft sind diese Fragmente aber weiter im Sinne der Glanzbildung tätig. Kleinere Fragmente werden häufig in die entstehende Oberfläche eingebaut, und zwar so, dass eine mehr oder minder kohlenstoffbelastete „Legierung“ entsteht. Leider neigen diese Kohlenstoffreste dazu, sich mit der Zeit, begünstigt durch Temperatur, auf der Oberfläche zusammen zu lagern und dort einen dünnen, aber sehr wirksamen Film zu bilden. Dieser Film erhöht den Übergangswiderstand der Schicht erheblich und sorgt im Falle einer Lötung sehr häufig zu weitreichenden Entnetzungen.

Aus diesen Erfahrungen ergibt sich insbesondere im deutschsprachigen Industrieumfeld nach wie vor eine große Vorsicht beim Einsatz von Glanzzinn-Schichten.

Dabei stehen mittlerweile eine Vielzahl von Formulierungen zur Verfügung, die dieses Phänomen nicht mehr aufweisen. Moderne Elektrolyte scheiden Schichten mit einem Kohlenstoff-Restanteil von unter 0,5 % ab. Viele, der am Markt erhältlichen Produkte, liegen sogar noch sehr deutlich unter diesem Wert.

Unterscheidung zwischen Matt- und Glanzzinn-Elektroyten

In ihrer chemischen Basis unterscheiden sich heute Matt- und Glanzzinn-Elektrolyte häufig nur noch um sehr spezielle funktionelle Gruppen an sonst gleichen Basis-Molekülen. Man ist in der Lage den gesamten Schichtaufbau sehr gezielt und vollständig reproduzierbar zu beeinflussen. Es sind inzwischen sogar Elektrolyte erhältlich, die Zwischenstadien zwischen glänzend und matt erzeugen. Werblich spricht man hier von Satin- oder Seiden-Glanz.

Gebürstete Verzinnung

Durch die lange Verfügbarkeit und Verbreitung der matten Zinnschichten sind einige Hersteller auf den Gedanken gekommen, die grauen und zunächst oft inhomogenen Schichten durch eine mechanische Nachbearbeitung „aufzuhübschen“. Diese Flächen werden nach der Abscheidung gebürstet.

Da Zinn sehr weich ist, entsteht so eine gleichmäßige, leicht glänzende Schicht, die den typischen Bürststrich aufweist. Auch prozessbedingte Varianzen im Erscheinungsbild der Oberfläche lassen sich auf diese Weise gut egalisieren.

Zum Einsatz kommen dabei entweder Drahtbürsten oder moderne Kunststoff-Oberflächen. Mit der Auswahl des Schleif- bzw. Poliermaterials kann man maßgeblichen Einfluss auf das Erscheinungsbild der Schicht wirken. Dabei arbeiten fast alle Prozesse mit minimalem Abtrag.

Elektrochemische Verzinnung mit nachgelagerter thermischer Behandlung

Reflow-Verzinnung

Der Schmelzpunkt des reinen Zinns liegt mit ca. 230 °C recht niedrig, was eine thermische Nachbehandlung von galvanisch erzeugten Schichten ermöglicht. Dabei wird eine reine, also kohlenstoffarme und daher häufig matte, Zinnschicht sehr kurz über diese Liquidustemperatur erwärmt.

Anschließend rekristallisiert die Schicht analog einer Feuerverzinnung. Diese Schichten sind hochglänzend und von ihrer Natur her sehr gut und lange lötfähig.

Die Wege zu dieser Temperatur sind dabei sehr unterschiedlich. Neben induktiven Verfahren finden sich direkte Strahlungsverfahren (mit Gas oder elektrisch befeuert), heiße Ölbäder oder eher simple Reflow-Öfen am Markt.

Neben dem im deutschen Sprachraum auch sehr häufig genutzten Begriff Reflow finden sich die Attribute an- oder umgeschmolzen. Alle drei Begriffe bezeichnen dabei den gleichen Prozess.

Near-Reflow-Verzinnung

Die Möglichkeiten des Anschmelzens sind eingeschränkt. Zum einen lassen sich dickere Schichten nicht homogen thermisch rekristallisieren. Auch sind die aus der Löttechnik bekannten Probleme, z. B. der Entnetzung, durchaus auch im Bereich der Reflow-Verzinnung zu finden.

Auch die thermische Leitfähigkeit des Substrats ist von entscheidender Rolle. Leitet dieses eine eingebrachte Wärme zu gut ab, so kommt es zu Instabilitäten im Prozess, die ihrerseits die Beschichtung stören.

Hier etabliert sich aktuell ein Verfahren, das als „Near-Reflow-Beschichtung“ beworben wird. Dabei wird die Zinnschicht nach der Abscheidung bis kurz unter die Liquidustemperatur erwärmt. Durch die fehlende Flüssigphase lassen sich viele Nachteile oder Probleme der Reflow-Technik vermeiden.

Post-Bake Verzinnung

Ein weiterer Ansatz im Bereich der thermischen Nachbehandlung ist das sogenannte Nachbacken, engl. Post Bake. Dieses von einigen Walzwerken in Zusammenarbeit mit namhaften Automobil-Zulieferern aufgebrachte Verfahren wird in erster Linie an vorverzinnten Bandcoils im Bereich der NE-Metalle durchgeführt. Hierbei wird der fertige Ring in Temperkammern oder Haubenglühen ebenfalls thermisch beaufschlagt.

Vergleich der verschiedenen Verzinnungs-Typen

  Feuerzinn Glanzzinn Mattzinn Zinn, gebürstet Reflow-Zinn Near-Reflow-Zinn
Glanz X X   (X) X X
Homogene IMC X       X X
Kohlenstoffarm X (X) X X X X
Whiskerarm X X X X X X
Lötfähig X X X X X X
Beliebige Schichtdicken   X X X   X
Unabhängig von Substrateigenschaften   X X X   X
Elektrochemisch   X X X X X
Thermisch X       X X
Tabelle 1: Übersicht der Schichteigenschaften verschiedener Verzinnungs-Typen

Weitere Verzinnungsverfahren

Zinn wird heute im Allgemeinen entweder aus seiner Schmelze oder elektrochemisch abgeschieden. Dabei erfolgt letztgenannter Prozess in erster Linie aus sauren Elektrolyten. Hier ist eine Vielzahl von Verfahren bei den bekannten Fachfirmen für sehr viele zum Teil hochspezielle Einsatzzwecke verfügbar.

Es gibt aber durchaus eine ganze Reihe von weiteren Möglichkeiten der Verzinnung. Diese haben aber technisch keine größere Bedeutung und beschränken sich auf Nischen.

Zu nennen wären hier:

  • Elektrochemische Abscheidung aus alkalischen oder neutralen Elektrolyten
  • Außenstromlose Abscheidung durch Reduktion („Sud-Verzinnung“ z. B. auf Aluminium) oder Autokatalyse (wie z. B. beim sog. „Chemisch Nickel“)

Technologien der Verzinnung

Die elektrochemische Verzinnung findet sich heute in allen gängigen Verfahren wie Trommel-, Gestell- oder Durchlauf-Galvanik wieder. Angewandt wird Feuerzinn, wie auch die thermisch nachbehandelten, elektrochemischen Verfahren, in erster Linie auf Wickelwaren wie Drähten und Bändern. Es gibt einzelne Unternehmen, die auch Stückgut auf diese Weise veredeln.

Selektive Verzinnung in Durchlaufanlagen

Insbesondere in der Bandveredelung finden sich heute verstärkt selektiv abgeschiedene Zinnschichten wieder. Diese aus dem Bereich der Edelmetallisierung bestens bekannten Technologien waren im Ursprung zur Einsparung von teuren Metallen wie Gold oder Silber gedacht. Darum vermag es zunächst verwunderlich sein, warum das im Grunde eher günstige Metall Zinn hier immer häufiger sehr aufwendig nur zum Teil aufgebracht wird.

Hintergrund ist in der Hauptsache, dass sämtliche Zinnschichten mehr oder weniger starken Alterungseffekten unterworfen sind. Hierbei entstehen zwangsläufig feinste Zinnpartikel, die wegen ihrer Struktur und geringen Härte im Laufe der Zeit dazu neigen, sich zusammen zu lagern. So entstehen Partikel und Körner, die sich in der Beschichtung nachgelagerter Prozesse ablagern und dort stören können.

So bildet in Bremseinrichtungen oder Führungsinstallationen eingebrachter Zinnstaub häufig zu Kratzern oder Eindrücken in der Beschichtung. Auch können sich die Partikel in Stanzwerkzeugen ansammeln und anschließend auf das zu stanzende Teil aufgepresst werden, was zu störenden Zinnbatzen führt.

Um diese Effekte möglichst weit zu minimieren, setzen aktuell viele Unternehmen mehr und mehr auf die Reduktion der Verzinnung auf das technologische Minimum.

Doch auch die Beschichter können durch Ergreifen geeigneter Maßnahmen bei der Nachbehandlung der Schichten sehr großen Einfluss auf die Alterungsbeständigkeit ihrer Schichten nehmen. Zu nennen wären hier Spültechniken, das Bürsten, sowie Nachtauchlösungen, die eine Oxydation der Zinnschicht bis zum Folgeprozess minimieren.

Whisker

Innere Spannungen in der Zinnschicht führen zum spontanen Wachstum von Zinn-Einkristallen, die häufig aus der Beschichtung herausragen. Bei einem Querschnitt von wenigen Nanometern sind diese Barthaare (engl. Whisker) schon bis in den Millimeter-Bereich gesichtet worden.

Insbesondere in hochintegrierten Schaltungen oder Steckverbindern können so Kurzschlüsse entstehen, die häufig einen Total-Ausfall der Komponenten zur Folge haben.

Daher ist es wichtig, dass Zinn möglichst spannungsarm und alterungsbeständig abgeschieden wird. Neben der Reinheit der Zinnschicht (insbesondere des Kohlenstoffanteils durch Organika) ist hier insbesondere die definierte und gleichmäßige Ausbildung der IMC von Bedeutung.

Aber auch die Kristallbildung beim Schichtwachstum ist natürlich maßgeblich an der Bildung von solchen Spannungen beteiligt. Darum muss sowohl der Elektrolyt als auch die Anlagentechnik optimal für die Aufgabe geeignet sein.

IMC

Insbesondere zwischen Zinn und Kupfer bildet sich ein Übergangsbereich. Dieser besteht aus zwei unterschiedlichen, intermetallischen Phasen (engl. „Intermetallic Compound“, IMC), die entweder als Migrationsphasen oder als Konvektionsphasen entstehen. Es bildet sich eine kupferärmere Cu6Sn5 sowie eine kupferreiche Cu3Sn-Phase aus. Entscheidend für den Bildungsmechanismus ist die Temperatur.

Bringt man eine galvanische Verzinnung auf einem Kupfersubstrat auf, so geschieht dies im Allgemeinen aus wässriger Lösung bei einer Raumtemperatur von oder bis max. 60 °C. Hintergrund ist, dass die meisten eingesetzten Organika höhere Temperaturen nicht vertragen und es zu beschleunigten Zersetzungsreaktionen kommt.

Bildungsmechanismus bei Raumtemperatur

Bei diesem Beschichtungstypus erfolgt die Bildung der IMC in den Tagen und Wochen nach der Abscheidung. Untersuchungen zeigen, dass die Bildung einer ca. 1 µm dicken IMC bei Raumtemperatur ca. 1 ½ Jahre dauert. Dabei wandern einzelne Metall-Atome entlang der Phasengrenzen. Die IMC wird dabei sehr inhomogen ausgebildet. Es kann hier leicht zu inneren Spannungen zwischen den Schichten kommen, die eine Whisker-Bildung begünstigen.

Bildungsmechanismus bei höheren Temperaturen

Ab einer Temperatur von ca. 135 °C ändert sich der Typus des Wachstums. Die Diffusion der Metallatome erfolgt nun nicht länger an den Korngrenzen, sondern diese dringen auch in die Struktur ein. Das Ergebnis ist ein deutlich homogeneres und spannungsärmeres Schichtsystem. Die Ausbildung einer 1 µm dicken IMC liegt hier nun nur noch im Bereich von Stunden.

Bei der Feuerverzinnung und bei der Herstellung von Reflow-Zinnschichten liegen die Temperaturen oberhalb der Liquidustemperatur des Zinns, also größer 230 °C. Die Bildung der IMC erfolgt hier im Bereich unterhalb einer Sekunde, weshalb man bei diesen Schichten generell von einer vollständig ausgebildeten Phase ausgehen kann.

Das Near-Reflow-Verfahren, wie auch das Post Bake, sorgt ebenfalls für eine homogen ausgebildete, intermetallische Phase.

Anwendungen

Insbesondere im Bereich der Steckverbinder sind diese IMC-Systeme durchaus gewünscht. Die IMC hat eine recht hohe Härte, was das Gleiten des Steckverbinders auf dem Grundmaterial begünstigt und verhindert, dass dieses beim Stecken beschädigt wird.

Für Lötanwendungen muss unbedingt darauf geachtet werden, dass noch nicht umgewandeltes Zinn in ausreichenden Mengen auf der IMC verbleibt, da diese im Allgemeinen nicht lötfähig ist. Daher muss mit entsprechenden Schichtdicken auch Alterungseffekten vorgebeugt werden, wenn die Lötfähigkeit eines Systems auch nach längerer Lagerung noch gegeben sein muss.

Eine Sperrschicht aus Nickel kann die Ausbildung der Kupfer-Zinn-IMC wirksam unterbinden und die so zu erwartende Alterung minimieren.

Fazit

Durch die intensive, speziell der empirischen Ergebnis-Forschung im Feld, stehen heute stabile Prozesse zur Verfügung, die hinreichend genau beschrieben sind, und reproduzierbare Ergebnisse liefern. Für die am weitesten verbreiteten Forderungen an die Verzinnung, also den Korrosionsschutz und die Lötfähigkeit, ist es dabei inzwischen eindeutig von untergeordneter Rolle, für welchen Prozess man sich entscheidet. Die Vielzahl von unterschiedlichen Typen der Zinnschichten ist allein durch die Historie begründet.

  • Feuerzinn
  • Mattzinn
  • Glanzzinn
  • Gebürstetes Zinn
  • Reflow-Zinn
  • Near-Reflow-Zinn

Es sind extreme Randanforderungen, wie z. B. genau spezifizierte Steckkräfte in hochpoligen Steckverbindern, die eine genauere Betrachtung erfordern.

In Bezug auf die Lötfähigkeit sind die Betrachtungen der Mindestschichtdicke und die Auswahl eines geeigneten Schichtsystems deutlich wichtiger, als die genaue Reflexion auf einen der oben genannten Typen.

Literatur